Seelenliebe-Blog # 5
8.8.2020 MementoTag – ein Tag, der uns daran erinnert, endlich bewusst zu leben</h2
„Das geht doch nicht. NEEEEE, das macht man nicht.“, ruft eine Frau auf dem Augustusplatz Leipzig und zieht mit ihrem Handtrolleywagen kopfschüttelnd weiter.
Aber hey? Was macht man nicht…..
Im Sarg Probeliegen? Warum nicht? „Also der ist ganz schön hart. Aber gut für den Rücken. Ich glaube, da werde ich gut schlafen können.“, entgegnete hingegen lächelnd eine Frau. Ihre grauen, halblangen Haare sind schick gelegt. Sie ist gestylt und sehr gepflegt. Sie bat mich, ein Foto zu machen, welches sie ihrem Sohn schicken wollte. Sie sagte ihm, dass sie heute zu dieser Veranstaltung gehen wolle, er googelte und erwiderte empört: „Mama, da ist ein Sarg zum Probe liegen, das willst du doch nicht wirklich machen!“. „Doch, warum nicht. Die Frage kommt doch bald auf uns zu.“ Sie kletterte also behänd wieder aus dem Sarg und schickte ihm eine WhatsApp mit dem Bild, auf dem sie zufrieden lächelnd im Sarg liegt, fast friedlich schlafend, könnte man meinen. So ein bisschen wie Schneewittchen.
Apropos Schneewittchen: die Sargkutsche, majestätisch, historisch und malerisch steht direkt neben dem Sarg auf dem Augustusplatz in Leipzig. Fehlt nur noch der Prinz und das Schloss.
Jetzt fragt ihr euch, was ich hier für einen Blödsinn schreibe? Sarg? Kutsche? Ich löse auf…… gestern war MementoTag. Der 8.8. ist in Deutschland seit letztem Jahr ein Aktionstag, an dem in Deutschland dutzende Veranstaltungen stattfinden. Von Lesungen, Wanderungen, Meditationen, Sarg-Bars, Online-events, Konzerten, Buchverlosungen und .. und … und.
Es ist unfassbar, wie kreativ die Szene mit dem Thema umgeht. Und vor allem so unfassbar schön. Extra am MementoTag wurden Lieder und Podcasts veröffentlicht, wurden Gespräche in der Matratzengruft geführt, es wurden Plädoyers „Für die Träne“ gehalten, Instagram Challenges über „Mein letztes Hemd“ gestartet, es wurde viel gesprochen – bei Trauerspaziergängen, Gesprächsrunden, auf Friedhöfen, in Schlössern und an Aktionsständen, es wurden Postkarten, Blumen und Buttons verteilt, Bücher verlost und immer wieder die Menschen eingeladen, sich bewusst den Tod ins Leben zu holen.
Sag mal, Wie hast du’s eigentlich mit dem Tod? Hast du Angst? Kannst du darüber reden? Weil, mal ganz ehrlich: Sterben tun wir alle. Der Alte (Tod) kommt leider nicht an uns vorbei! Bisher haben wir wahrscheinlich weniger darüber nachgedacht. Das Leben läuft ebenso. Warum soll ich mir denn jetzt schon mein zartes Köpfchen zerbrechen? Ich habe doch noch lange nichts mit dem Tod zu tun. Da kann ich mir immer noch ‚ne Platte machen, wenn ich alt bin. Aber nicht jetzt.
Doch dann ist es vielleicht zu spät! Vielleicht kommt der Tod ja viel früher um’s Eck als geplant.
- Hast du eigentlich schon deine Trauerrede geschrieben?
- Hast du eigentlich schon deine Trauerrede geschrieben?
- Wie soll dein letztes Fest gefeiert werden?
- Welche Musik soll auf deiner Beerdigung geschrieben werden?
- Wenn du morgen eine niederschmetternde Diagnose bekommen würdest, was wäre dein letzter Wunsch?
- Hattest du dann ein schönes Leben?
- Ab wann ist man eigentlich tot? Gibt es einen guten Tod? Kann der Tod auch im Frieden kommen?
- Hast du Angst vor dem Tod? Fürchtest du ihn? Warum?
- Wann und wie willst du sterben?
- Wenn du zurückschaust: Wem bist du dankbar und wofür?
- Was kostet mich eigentlich der Tod?
- Urne oder Sarg? Meer oder Wald? Diamant oder Baum? Wie willst du beerdigt werden? Kennst du alle Bestattungsarten?
Ich könnte hunderte Fragen aufschreiben. Gerade letzte Woche habe ich meinen Fragekatalog erweitert und bin bei Frage Nummer 251 angekommen. Fragen für Vorgespräche für eine Trauerfeier.
Und mal ganz ehrlich: Wieviel wissen wir über unsere Großeltern/ Eltern/ Geschwister? Spätestens bei der Frage, welche Musik wir zur Trauerfeier spielen, werden die Schultern gezuckt. „Machen Sie mal.“ Entscheiden Sie“ „Was spielt man denn so?“ Was spielt man denn so? Ganz ehrlich? Das, was die Mama liebte. Oft weiß man das nur nicht. Weil man nicht darüber spricht. Weil wir generell nicht über uns sprechen. Was wir lieben und füreinander fühlen. Wie wir uns unseren Tod vorstellen. Wie und wo wir beerdigt werden wollen. Wofür wir dankbar sind. Was wir an dem Anderen mögen und schätzen.
Wir sagen uns das viel zu selten. Vielleicht liegt es an unserer deutschen Mentalität. Wisst ihr, wie sehr ich deswegen auch meine Freien Trauungen liebe?!!! Weil wir während der Zeremonie auch Freunde und Familie einbeziehen. Weil wir sagen „Mama, ich habe dich so lieb. Danke, dass du mich zu dem wundervollen Menschen gemacht hast, der ich heute bin. Ohne euch wäre ich nicht das, was ich heute bin.“ Auch wenn wir nicht stets und ständig die Wege im Leben gemeinsam gehen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind und vielleicht andere Ziele und Ansichten verfolgen, so ist die Familie doch die Wurzel unseres Daseins. Großeltern, Eltern und Geschwister prägen uns und machen uns zu dem, was wir sind. Doch dessen sind wir uns zu selten bewusst und noch viel weniger sagen wir Danke. Danke für die Liebe, das Vertrauen, die Unterstützung, die schöne und unbeschwerte Kindheit und ……….
Wir sagen das zu selten, weil wir zu selten darüber nachdenken. Über uns. Über das Leben. Über die Endlichkeit. Über den Tod.
Und aus diesem Grund gibt es ihn: den MementoTag, der letztes Jahr von wundervollen Menschen ins Leben gerufen ´wurde, allen voran Iris Willecke, Trauerbegleiterin und psychotherapeutische Heilpraktikerin. Sie hat ein großartiges Team um sich geschart – alles Menschen, die in Ihrem Beruf ihre Berufung sehen, die mit Herzblut und Leidenschaft für die Menschen und die Sache glühen.
Es gibt in Deutschland die kuriosesten Aktionstage: Tag des Malbuchs, Tag der Unterwäsche oder Tag der Hängematte. Aber es gab bis letztes Jahr keinen Tag, der uns das Wichtigste erinnert, was wir haben: Unser Leben! Wenn selbst alles andere um uns herum verschwindet, bleibt das Leben. (Im besten Falle) Also machte sich das Team des MementoTages auf und versuchte der Welt zu erklären, über was wir mehr nachdenken sollten.
Memento mori, lat.: „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“. Unter diesem Motto möchte der MementoTag die Menschen aufrufen, möchte sie inspirieren und anregen. Dem Leben, dem Tod und der Vergänglichkeit wieder mehr Raum und Zeit schenken.
Den Tod ins Leben holen.
Endlich bewusst wieder leben, das Leben sinnvoll nutzen und Dinge, die einem wirklich am Herzen liegen, nicht auf später zu verschieben.
Wie oft höre ich im Trauergespräch: „Er hatte noch so viel vor. Er wollte noch das und dies sehen, die Welt bereisen, sich mit der Schwester versöhnen, sich was gönnen und leisten…..“ Die Liste könnte ewig lang sein. Zu Oft sitzen die Menschen mit Tränen in den Augen am Tisch und sagen „Er hat nur geschuftet und gerackert, nur an andere gedacht, nie an sich…“
Werden wir uns bewusst, warum wir hier sind. Warum leben wir? Wie können wir unseren Jahren mehr Sinn geben? Was macht uns glücklich? Ist es nicht die Aufgabe, die wir haben? Glücklich sein??? Bist du glücklich?
Eigentlich müssten wir den MementoTag an 365 Tagen im Jahr feiern. Weil wir uns jeden Tag bewusst sein müssten, was dieser jene Tag für ein Geschenk ist und dass wir ihn füllen müssen, mit guten Gedanken, Dingen und Taten. Mit Lachen, Liebe, Zuneigung, Wertschätzung und vor allem Dankbarkeit.
Wir haben uns nun mal den 8.8. herausgepickt. Er wurde deutschlandweit zum zweiten Mal begangen, das erste Mal in Leipzig. Die wundervolle Maria Förster, Therapeutin und Dozentin, und ich haben aufgerufen zu diesem Aktionstag in der Leipziger Innenstadt. Vor dem Gewandhaus, auf dem Augustusplatz.
Großartige Dienstleister haben zugesagt:
- Wolfsträne e.V., Verein für trauernde Kinder & Jugendliche in Leipzig www.wolfstraene.de
- Wolfsträne e.V., Verein für trauernde Kinder & Jugendliche in Leipzig www.wolfstraene.de
- Grabmale Winzer aus Markkleeberg www.winzergrabmale.de
- TR Design in Holz, Thomas Röthling – Urnen und Gedenklichter aus hochwertigem Holz in Handarbeit gefertigt 0178. 33 33 478
- Bestattungshaus Päschel www.bestattung-leipzig.de
- Trauerkutsche – das letzte Geleit, würdevoll und originell – Dietmar Dietze 0174. 77 589 88
- Maria Förster – www.trauerarbeit-maria-foerster.de
Und wir wissen, dass der Tag nächstes Jahr noch mehr rocken wird. Doch wir haben einen würdigen und großartigen Grundstein gelegt. Wir durften wundervolle Gespräche mit Menschen führen. „Aha, so was gibt es?“ Viele waren überrascht, was die „Sterbe-Szene“ alles zu bieten hat. Ist es doch weit mehr als die Urne auf dem Friedhof.
Ich möchte Danke sagen: einem wundervollen Team des M, MementoTages, allen Unterstützern und allen Aktionären in ganz Deutschland und Österreich.
Jeder Einzelne hat etwas Großes beigetragen. Die Gesellschaft öffnet sich gerade für ein Thema, welches uns alle betrifft. Der 8.8. bringt uns mit unserer eigenen Sterblichkeit in Verbindung. Und das ist gut so. Fürchten wir nicht den Tod. Nehmen wir ihn als Berater und Lehrer. Er möchte uns so wichtige Botschaften mitgeben. Dass wir die Tage genießen, hier auf dem Erdenball. Dass wir uns lieben und respektvoll miteinander umgehen. Dass wir unsere Jahreszahlen mit Leben und Liebe füllen. Dass wir Menschen um uns herum haben, die uns gut tun.
Und wenn man dann einst an unserem Grabe steht, was wird man sagen über uns?
Denk mal darüber nach…….
Mit herzlichen und lebendigen Grüßen
Xoxo Anje
P.S. Ich danke dem Tod für seine Botschaften. Er macht mich lebendiger als jemals zuvor. Lässt mich intensiver lieben und leben. Und ja, ich fürchte ihn dennoch. Und ja, ich wäre unsagbar traurig, wenn er mich oder einen geliebten Menschen jetzt trifft. Noch tippt er mir ab und zu auf die Schulter und sagt mir: Hey, Girl. Lebe, Liebe, Lache. Du hast nur ein Leben!!! Und so halte ich es. Passt auf euch.
Luftküsse…..